Früher, so der große Knigge, war die Dame in der Tat ein hilfloses Wesen: eingeengt in ein Korsett, indem sie kaum atmen konnte, eingepackt in pompöse Kleider aus mehreren Stoffschichten und Tüll, in denen sie sich weder allein setzen noch allein erheben konnte. Eine Dame zu sein bedeutete zu verzichten. Da war es nur Recht, dass sie für diese Entbehrungen zumindest mit einem Ehrenplatz in der Gesellschaft entschädigt wurde. Doch in jeder Gesellschaft sind es die Mächtigen, die den Machtlosen ihre Plätze zuweisen. Mittlerweile ist unsere Gesellschaft so weit: Die Frau kann von diesem „Sockel der Verehrung“ herunterspringen, ohne sich alle Knochen zu brechen. Sie unterliegt auch nicht mehr dem Irrglauben, dafür ihre Weiblichkeit verleumden zu müssen. Ihr Ziel ist vielmehr, im Leben mit allem, was dazugehört, mitzuspielen, statt nur eine Trophäe für den Gewinner zu sein.
Mitspielen bedeutet heutzutage zum Beispiel:
- ihn beim ersten Rendezvous das Essen bezahlen zu lassen, dafür jedoch die nächste Rechnung zu übernehmen.
- sich vom Geschäftspartner in den Mantel helfen zu lassen, ihm als Fahrerin jedoch die Autotür aufzuhalten.
- im Bus für den Vater mit 2 kleinen Kindern aufzustehen.
- als Gastgeberin das Essen für den Gast zu reklamieren.
- beim Kundenbesuch den Gästen die Garderobe abzunehmen.
- die Wochenendeinkäufe und die Wasserkiste mit vereinten Kräften in den vierten Stock zu tragen (und den Ehemann/Partner nicht nur als Packesel zu betrachten).
- sich auch als Frau für die Begrüßung eines jeden Menschen zu erheben und aufzustehen – sofern keine körperlichen Gebrechen dagegensprechen.
- Komplimente dankend entgegenzunehmen – und welche zu verteilen.
Zeitgemäß ist: Die Situation entscheidet über Aktivität und Passivität!