Knigge: „Über den Umgang mit Menschen“ – in Zeiten der Corona-KriseEin Beitrag von Clemens Graf von Hoyos, Vorsitzender der Deutschen-Knigge-Gesellschaft e. V., in Zusammenarbeit mit Chiara Meidinger und Maximilian Stickroth.
Zwischen Knigge und Corona:
Ein Charakter-Test für unsere Gesellschaft
Selbstbeschränkung? Selbstbeherrschung? Teilweise Fehlanzeige! Es scheint, als wurde mit dem Coronavirus der Zenit der Zivilisation endgültig überschritten. Die Pandemie entpuppt sich somit nicht nur als Stress-Test für die Gesellschaft, sondern vor allem auch als Charakter-Test.
Als Synonym zivilisierten und anständigen Verhaltens gilt auch heute noch Adolph Freiherr Knigge. Auch über 200 Jahre nach der Veröffentlichung seines Werks „Über den Umgang mit Menschen” sind seine darin getroffenen Aussagen allgemeingültig und aktueller denn je.
In erster Linie ging es dem Aufklärer – entgegen landläufiger Meinung – jedoch nicht um dogmatischen Formalismus, sondern um ein gutes Miteinander.
Die Quintessenz seines kleinen Ratgebers ist im Grunde genommen ein Appell für anlass- und adressatengerechtes Verhalten vor dem Hintergrund der Wertschätzung und Rücksichtnahme.
Wo bleiben Respekt und Rücksichtnahme in der Corona-Krise?
Doch wie viel ist davon derzeit in Teilen der Gesellschaft zu spüren? Die Flut an Negativschlagzeilen rund um die COVID-19-Pandemie reißt nicht ab. Nebst immer drastischeren und notwendigen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Senkung der Zahl an Neuinfektionen mischten sich in den vergangenen Tagen in das gesamte Geschehen auch noch Nachrichten über Corona-Partys, übervölkerte Parks in Berlin und vorsintflutliches Verhalten im Streit um die letzten Hygieneartikel an den Supermarktregalen. Von Berührungsängsten und Distanzhalten zum Wohle der Gesundheit war in diesen Nachrichten mit keiner Silbe die Rede.
Paradoxerweise wird in anderen Situationen aber dann doch peinlich genau auf das Abstandhalten geachtet – und zwar genau dann, wenn es darum geht, dringend erforderliche Hilfe zu leisten. So war zum Beispiel niemand bereit, die drei Autoren dabei zu unterstützen, einen zwölfjährigen Jungen zu versorgen, der in einem an einen Kriegsschauplatz erinnernden Supermarkt einen Kreislaufkollaps erlitten hat. Die Begründung der Umstehenden: Der Junge könnte potentiell am Coronavirus erkrankt sein.
Egoismus anstatt Solidarität und Mitmenschlichkeit? Manchmal steckt hinter dem Fehlverhalten auch reine Gedankenlosigkeit, so wie im Beispiel des 76 Jahre alten Herrn, der doch „nur” ein Konzert besuchen wollte, ohne dabei daran zu denken, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Lebensgefährtin gefährdet.
Für ein funktionierendes Miteinander ist jeder Einzelne gefragt!
Speziell in der gegenwärtigen Krise sollte man sich auf die Ideale des Freiherrn Knigge besinnen und ein Vorbild in Sachen Solidarität, Umsicht und Dankbarkeit sein. Denn kaum eine Situation seit dem Zweiten Weltkrieg hat unsere Gesellschaft in solch eine Unruhe und allgemeine Verängstigung versetzt wie das Coronavirus.
Nun liegt es an jedem Einzelnen zu beweisen, was eine solidarische Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Es ist die Einsicht, auch Einschnitte in der persönlichen Freiheit, jedenfalls für einen gewissen Zeitraum, hinzunehmen und zu respektieren.
In solchen Zeiten bedeutet das vor allem, dass wir zum Wohle unserer Mitmenschen mit Umsicht und Rücksicht handeln. Dass wir uns nicht selbst der Nächste sind, sondern im Interesse aller Menschen handeln. Es liegt in unserer Verantwortung, dass diejenigen, die als besonders gefährdet gelten, keiner vermeidbaren Gefahr ausgesetzt werden.
Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass wir nur so stark sind wie die Schwächsten in unserer Mitte. Wir alle können in diesen Tagen unseren Teil leisten, nein, wir müssen unseren Teil leisten!
Wir alle haben die Bilder aus Italien und China gesehen. Wir konnten fast live miterleben, welche dramatischen Ausmaße die Corona-Krise entfaltet hat. Und trotz der allgegenwärtigen Gefahr scheint die Situation für viele nicht real zu sein. Die bittere Realität ist jedoch, dass leichtfertiger Kontakt nahezu unweigerlich zu neuen Infektionen führt!
Deshalb sollte unsere Solidarität in diesen Tagen auch den bereits Infizierten gelten. Denn Mitgefühl mit Erkrankten und ihren Angehörigen spielt in Zeiten der Krise eine essentielle Rolle. Es ist Ausdruck für ein soziales Miteinander. So sagte schon Adolph Freiherr Knigge in dem Kapitel „Über die Art Kranke zu behandeln”:
„Es gibt Krankheiten, in welchen Aufmunterung des Gemüts, Zerstreuung und angenehme Unterhaltung sehr viel zur Genesung beitragen, und hingegen andere, bei denen Ruhe und stille Wartung das Einzige sind, wodurch man dem Leidenden Linderung verschaffen kann.” (Adolph Freiherr Knigge)
Umgangsformen im Wandel der Krise:
Hände waschen statt Hände schütteln
In den letzten Tagen wurde immer deutlicher, dass sich niemand mehr den wichtigsten Grundregeln des umsichtigen Handelns entziehen darf. Denn auch nur die geringste Nachlässigkeit unsererseits kann für andere das Leben bedeuten. Ob es das regelmäßige Händewaschen oder das Niesen in die Armbeuge ist, hier tragen wir alle Verantwortung. Die richtige Nies- und Händewasch-Etikette kann im Ernstfall Leben retten!
Die Menschen im Gesundheitswesen sind mit jeder neuen Infektion einer weiteren Belastung ausgesetzt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Plätze in medizinischen Einrichtungen für jene zur Verfügung stehen, deren Gesundheit am seidenen Faden hängt.
Über die sogenannten Coronavirus-Hotlines lassen sich Informationen zu auftretenden Symptomen erfragen. Die Krankenhäuser werden stark entlastet, wenn jeder zuerst diese Hotlines bemüht und nicht gleich ins Krankenhaus rennt.
Damit das Bangen um die eigene Gesundheit erst gar nicht akut wird, kann jeder Einzelne viel tun und Vorsorge treffen.
Bitte wahren Sie Distanz zu Ihren Mitmenschen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Denken Sie immer daran, dass dieser Virus für manche Menschen lebensgefährlich ist. Hier kann die kleinste Rücksichtnahme Menschenleben retten.
Sollten Sie doch mit der Situation konfrontiert werden, dass Ihnen jemand zur Begrüßung die Hand entgegenstreckt, dann dürfen Sie den Handschlag gerne mit einem freundlichen Verweis auf die momentane Lage verwehren. Auch das ist umsichtiges Verhalten!
Und selbstredend sollten Sie, sobald ein Arzt Sie untersucht hat, dringend seinen Anweisungen Folge leisten. Es ist nicht die Zeit für engstirnigen Egoismus und Non-Compliance!
„Fordert die Not, dass du dich an einen Doktor wendest, so (…) verschweige auch nicht den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zustand und mit dem Sitz deines Übels vertraut zu machen. Folge streng und pünktlich seinen Vorschriften. Den Mann, der alles anwendet, was in seinen Kräften steht, deine Gesundheit herzustellen, belohne nicht sparsam. Gib ihm reichlich nach deinem Vermögen.” (Adolph Freiherr Knigge)
Einkauf-Etikette: Solidarität statt Hamstern
Doch nicht nur im Rahmen der hygienischen Vorsichtsmaßnahmen können wir uns gegenseitig schützen und unterstützen. In den letzten Tagen waren Bilder von leergeräumten Ladenregalen allgegenwärtig. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass jeder sich selbst und seine Familie versorgen und auch vorsorgen möchte.
Lassen Sie uns aber nicht vergessen, dass wir Menschen in unserer Mitte haben, die diese Möglichkeit des Vorratskauf nicht besitzen. Menschen, die nicht über die finanziellen Mittel oder die Transportmöglichkeiten für „Hamsterkäufe” verfügen oder die aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen nicht dazu in der Lage sind.
„Wo der bescheidene Arme im Verborgenen seufzt, es nicht wagt, sich herbeizudrängen und um Hilfe zu bitten, (…) dahin dringe dein Blick!“ (Adolph Freiherr Knigge)
Zeigen Sie auch hier Rücksicht und überlegen Sie, ob der Einkauf von Hygieneartikeln und Lebensmitteln in haushaltsunüblichen Mengen wirklich nötig ist. Wenn jeder nur seinen tatsächlichen Bedarf stillt, ist genug für alle da.
Und vor allem: Bewahren Sie Ruhe! Keine Krise wird durch einen Streit um Hygieneartikel gelöst, sondern im Gegenteil verschärft.
Die fleißigen Mitarbeiter in den Supermärkten und Drogerien leisten trotz des allgegenwärtigen Risikos ihre Arbeit. Erleichtern Sie ihnen diese durch angemessenes Verhalten, durch Disziplin beim Einkauf und durch ein wertschätzendes „Dankeschön!“ für ihren Dienst.
„Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohltätig für den, der empfängt, wie für den, welcher gibt.” (Adolph Freiherr Knigge)
Zwischen Kunden und Kindern: Tipps für das Home Office
Mit dem Virus und den daraus resultierenden (Gegen-)Maßnahmen ergibt sich eine Vielzahl an Problemen ungeahnten Ausmaßes. Auf einige davon reagiert die Politik bereits und stellt beispielsweise Betrieben mit Liquiditätsengpässen weitreichende finanzielle Unterstützung in Aussicht. Ebenso werden notwendige Schritte eingeleitet, um das ohnehin schon häufig an der Grenze der Belastbarkeit arbeitende Personal in Krankenhäusern zu entlasten.
Doch auch in den eigenen vier Wänden – im Home Office, bei der Betreuung unserer Kinder oder in der selbst verordneten oder gar erzwungenen Quarantäne – werden wir vor immer neue Herausforderungen gestellt.
Wir müssen uns der Herausforderungen bewusstwerden, die in diesen Zeiten beruflich auf uns zukommen, und uns überlegen, wie wir unsere Arbeitsweisen neu strukturieren und uns mit den Gegebenheiten arrangieren können.
Für viele wird das Home Office, jedenfalls für einige Zeit, zur neuen Arbeitsstätte. Die Herausforderung besteht nun darin, die neue Arbeitssituation gut strukturiert und mit bestmöglichem Erfolg zu organisieren.
Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit spielen gerade in dieser Zeit eine große Rolle, denn damit vermitteln Sie Ihren Kunden das Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit. Wir alle haben Sorge, ob Leistungen, die wir gebucht haben oder erbringen müssen, auch weiterhin geregelt erfüllt werden können.
Hier bietet sich an, dass Sie Ihre Kunden mit einer freundlichen Information per E-Mail transparent auf die aktuelle Lage und mögliche Konsequenzen hinweisen. Teilen Sie mit, dass die Arbeit hauptsächlich im Home Office verrichtet wird, dass Sie jedoch – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten – keine Abstriche bei der Qualität Ihrer Arbeit zulassen werden.
Bieten Sie Ihren Kunden, wo möglich und sinnvoll, Informationsgespräche über die aktuelle Lage an. Das kann per Telefon oder auch per Videokonferenz geschehen. Haben Sie Verständnis dafür, dass Ihre Kunden jetzt ein vermehrtes Bedürfnis nach Information haben.
Des Weiteren empfehlen wir Ihnen, dass Sie Ihren Arbeitsalltag so normal wie möglich gestalten. Gehen Sie gewissenhaft Ihren Aufgaben nach, denn man verlässt sich auf Sie!
Doch was tun, wenn die Kinder nach noch mehr Aufmerksamkeit verlangen, kurz vor einem Lagerkoller stehen und Sie sie sinnvollerweise besser nicht bei den Großeltern abgeben sollten? Xbox und die ständige Beschäftigung mit dem Smartphone sind auf Dauer schließlich nur bedingt pädagogisch wertvoll.
Das Wichtigste sind eine klare Struktur im Alltag, die Halt gibt, und besondere Ereignisse am Wochenende, auf die sich Ihre Kinder freuen können.
Um den Tag sinnvoll zu gestalten, sollten vormittags vor allem die Lernangebote der Schulen wahrgenommen werden. Denn auch wenn die heimischen vier Wände zum Faulenzen verleiten, wird der Tag dadurch nicht kürzer oder spannender.
Der Nachmittag bietet die Gelegenheit, statt der geliebten Konsole eines der in Vergessenheit geratenen Brettspiele wieder hervorzuholen.
Binden Sie zudem Ihre Kinder in alltägliche Haushaltsarbeiten mit ein, denn Töpfe spülen sich genauso wenig von allein wie sich das Essen kocht.
Im Grunde ist alles recht, was einen geregelten und abwechslungsreichen Tagesablauf fördert. Ziel ist es, von der Krise weg und hin zu einer sich weitestgehend im häuslichen Rahmen abspielenden Normalität zu kommen.
Deshalb gilt auch für uns Erwachsene: Sorgen wir in unserem Alltag für Abwechslung! Sehen wir die Situation als Chance, wieder mal ein Buch zu lesen, Musik zu hören und die lang gewohnte Alltagshektik in weite Ferne rücken zu lassen. Nehmen wir die Umstände an und machen wir das Beste daraus!
“Sei dir ein angenehmer Gesellschafter. Mache Dir keine Langeweile, das heißt, sei nie ganz müßig.” (Adolph Freiherr Knigge)
Alles wird gut!
Liebe Leserinnen und Leser, letztendlich bleibt uns nicht mehr, als Ihnen Besonnenheit und Gesundheit zu wünschen. Wir hoffen, dass Sie den ein oder anderen Ratschlag beherzigen und sich den Ernst der Lage vor Augen führen.
Wir möchten aber auch zum Ausdruck bringen, dass wir diese Situation gemeinsam bestens bewältigen werden und als Gesellschaft gestärkt und noch bewusster in die Zukunft gehen können!
„Alles in der Welt geht vorüber; alles lässt sich überwinden durch Standhaftigkeit; alles lässt sich vergessen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand heftet“ (Adolph Freiherr Knigge)
„Alles wird gut!“ – mit diesen Worten beendete auch Adolph Freiherr Knigge schon immer seine Briefe.
Zwischen Knigge und Corona:
Ein Charakter-Test für unsere Gesellschaft
Selbstbeschränkung? Selbstbeherrschung? Teilweise Fehlanzeige! Es scheint, als wurde mit dem Coronavirus der Zenit der Zivilisation endgültig überschritten. Die Pandemie entpuppt sich somit nicht nur als Stress-Test für die Gesellschaft, sondern vor allem auch als Charakter-Test.
Als Synonym zivilisierten und anständigen Verhaltens gilt auch heute noch Adolph Freiherr Knigge. Auch über 200 Jahre nach der Veröffentlichung seines Werks „Über den Umgang mit Menschen” sind seine darin getroffenen Aussagen allgemeingültig und aktueller denn je.
In erster Linie ging es dem Aufklärer – entgegen landläufiger Meinung – jedoch nicht um dogmatischen Formalismus, sondern um ein gutes Miteinander.
Die Quintessenz seines kleinen Ratgebers ist im Grunde genommen ein Appell für anlass- und adressatengerechtes Verhalten vor dem Hintergrund der Wertschätzung und Rücksichtnahme.
Wo bleiben Respekt und Rücksichtnahme in der Corona-Krise?
Doch wie viel ist davon derzeit in Teilen der Gesellschaft zu spüren? Die Flut an Negativschlagzeilen rund um die COVID-19-Pandemie reißt nicht ab. Nebst immer drastischeren und notwendigen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Senkung der Zahl an Neuinfektionen mischten sich in den vergangenen Tagen in das gesamte Geschehen auch noch Nachrichten über Corona-Partys, übervölkerte Parks in Berlin und vorsintflutliches Verhalten im Streit um die letzten Hygieneartikel an den Supermarktregalen. Von Berührungsängsten und Distanzhalten zum Wohle der Gesundheit war in diesen Nachrichten mit keiner Silbe die Rede.
Paradoxerweise wird in anderen Situationen aber dann doch peinlich genau auf das Abstandhalten geachtet – und zwar genau dann, wenn es darum geht, dringend erforderliche Hilfe zu leisten. So war zum Beispiel niemand bereit, die drei Autoren dabei zu unterstützen, einen zwölfjährigen Jungen zu versorgen, der in einem an einen Kriegsschauplatz erinnernden Supermarkt einen Kreislaufkollaps erlitten hat. Die Begründung der Umstehenden: Der Junge könnte potentiell am Coronavirus erkrankt sein.
Egoismus anstatt Solidarität und Mitmenschlichkeit? Manchmal steckt hinter dem Fehlverhalten auch reine Gedankenlosigkeit, so wie im Beispiel des 76 Jahre alten Herrn, der doch „nur” ein Konzert besuchen wollte, ohne dabei daran zu denken, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Lebensgefährtin gefährdet.
Für ein funktionierendes Miteinander ist jeder Einzelne gefragt!
Speziell in der gegenwärtigen Krise sollte man sich auf die Ideale des Freiherrn Knigge besinnen und ein Vorbild in Sachen Solidarität, Umsicht und Dankbarkeit sein. Denn kaum eine Situation seit dem Zweiten Weltkrieg hat unsere Gesellschaft in solch eine Unruhe und allgemeine Verängstigung versetzt wie das Coronavirus.
Nun liegt es an jedem Einzelnen zu beweisen, was eine solidarische Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Es ist die Einsicht, auch Einschnitte in der persönlichen Freiheit, jedenfalls für einen gewissen Zeitraum, hinzunehmen und zu respektieren.
In solchen Zeiten bedeutet das vor allem, dass wir zum Wohle unserer Mitmenschen mit Umsicht und Rücksicht handeln. Dass wir uns nicht selbst der Nächste sind, sondern im Interesse aller Menschen handeln. Es liegt in unserer Verantwortung, dass diejenigen, die als besonders gefährdet gelten, keiner vermeidbaren Gefahr ausgesetzt werden.
Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass wir nur so stark sind wie die Schwächsten in unserer Mitte. Wir alle können in diesen Tagen unseren Teil leisten, nein, wir müssen unseren Teil leisten!
Wir alle haben die Bilder aus Italien und China gesehen. Wir konnten fast live miterleben, welche dramatischen Ausmaße die Corona-Krise entfaltet hat. Und trotz der allgegenwärtigen Gefahr scheint die Situation für viele nicht real zu sein. Die bittere Realität ist jedoch, dass leichtfertiger Kontakt nahezu unweigerlich zu neuen Infektionen führt!
Deshalb sollte unsere Solidarität in diesen Tagen auch den bereits Infizierten gelten. Denn Mitgefühl mit Erkrankten und ihren Angehörigen spielt in Zeiten der Krise eine essentielle Rolle. Es ist Ausdruck für ein soziales Miteinander. So sagte schon Adolph Freiherr Knigge in dem Kapitel „Über die Art Kranke zu behandeln”:
„Es gibt Krankheiten, in welchen Aufmunterung des Gemüts, Zerstreuung und angenehme Unterhaltung sehr viel zur Genesung beitragen, und hingegen andere, bei denen Ruhe und stille Wartung das Einzige sind, wodurch man dem Leidenden Linderung verschaffen kann.” (Adolph Freiherr Knigge)
Umgangsformen im Wandel der Krise:
Hände waschen statt Hände schütteln
In den letzten Tagen wurde immer deutlicher, dass sich niemand mehr den wichtigsten Grundregeln des umsichtigen Handelns entziehen darf. Denn auch nur die geringste Nachlässigkeit unsererseits kann für andere das Leben bedeuten. Ob es das regelmäßige Händewaschen oder das Niesen in die Armbeuge ist, hier tragen wir alle Verantwortung. Die richtige Nies- und Händewasch-Etikette kann im Ernstfall Leben retten!
Die Menschen im Gesundheitswesen sind mit jeder neuen Infektion einer weiteren Belastung ausgesetzt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Plätze in medizinischen Einrichtungen für jene zur Verfügung stehen, deren Gesundheit am seidenen Faden hängt.
Über die sogenannten Coronavirus-Hotlines lassen sich Informationen zu auftretenden Symptomen erfragen. Die Krankenhäuser werden stark entlastet, wenn jeder zuerst diese Hotlines bemüht und nicht gleich ins Krankenhaus rennt.
Damit das Bangen um die eigene Gesundheit erst gar nicht akut wird, kann jeder Einzelne viel tun und Vorsorge treffen.
Bitte wahren Sie Distanz zu Ihren Mitmenschen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Denken Sie immer daran, dass dieser Virus für manche Menschen lebensgefährlich ist. Hier kann die kleinste Rücksichtnahme Menschenleben retten.
Sollten Sie doch mit der Situation konfrontiert werden, dass Ihnen jemand zur Begrüßung die Hand entgegenstreckt, dann dürfen Sie den Handschlag gerne mit einem freundlichen Verweis auf die momentane Lage verwehren. Auch das ist umsichtiges Verhalten!
Und selbstredend sollten Sie, sobald ein Arzt Sie untersucht hat, dringend seinen Anweisungen Folge leisten. Es ist nicht die Zeit für engstirnigen Egoismus und Non-Compliance!
„Fordert die Not, dass du dich an einen Doktor wendest, so (…) verschweige auch nicht den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zustand und mit dem Sitz deines Übels vertraut zu machen. Folge streng und pünktlich seinen Vorschriften. Den Mann, der alles anwendet, was in seinen Kräften steht, deine Gesundheit herzustellen, belohne nicht sparsam. Gib ihm reichlich nach deinem Vermögen.” (Adolph Freiherr Knigge)
Einkauf-Etikette: Solidarität statt Hamstern
Doch nicht nur im Rahmen der hygienischen Vorsichtsmaßnahmen können wir uns gegenseitig schützen und unterstützen. In den letzten Tagen waren Bilder von leergeräumten Ladenregalen allgegenwärtig. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass jeder sich selbst und seine Familie versorgen und auch vorsorgen möchte.
Lassen Sie uns aber nicht vergessen, dass wir Menschen in unserer Mitte haben, die diese Möglichkeit des Vorratskauf nicht besitzen. Menschen, die nicht über die finanziellen Mittel oder die Transportmöglichkeiten für „Hamsterkäufe” verfügen oder die aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen nicht dazu in der Lage sind.
„Wo der bescheidene Arme im Verborgenen seufzt, es nicht wagt, sich herbeizudrängen und um Hilfe zu bitten, (…) dahin dringe dein Blick!“ (Adolph Freiherr Knigge)
Zeigen Sie auch hier Rücksicht und überlegen Sie, ob der Einkauf von Hygieneartikeln und Lebensmitteln in haushaltsunüblichen Mengen wirklich nötig ist. Wenn jeder nur seinen tatsächlichen Bedarf stillt, ist genug für alle da.
Und vor allem: Bewahren Sie Ruhe! Keine Krise wird durch einen Streit um Hygieneartikel gelöst, sondern im Gegenteil verschärft.
Die fleißigen Mitarbeiter in den Supermärkten und Drogerien leisten trotz des allgegenwärtigen Risikos ihre Arbeit. Erleichtern Sie ihnen diese durch angemessenes Verhalten, durch Disziplin beim Einkauf und durch ein wertschätzendes „Dankeschön!“ für ihren Dienst.
„Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohltätig für den, der empfängt, wie für den, welcher gibt.” (Adolph Freiherr Knigge)
Zwischen Kunden und Kindern: Tipps für das Home Office
Mit dem Virus und den daraus resultierenden (Gegen-)Maßnahmen ergibt sich eine Vielzahl an Problemen ungeahnten Ausmaßes. Auf einige davon reagiert die Politik bereits und stellt beispielsweise Betrieben mit Liquiditätsengpässen weitreichende finanzielle Unterstützung in Aussicht. Ebenso werden notwendige Schritte eingeleitet, um das ohnehin schon häufig an der Grenze der Belastbarkeit arbeitende Personal in Krankenhäusern zu entlasten.
Doch auch in den eigenen vier Wänden – im Home Office, bei der Betreuung unserer Kinder oder in der selbst verordneten oder gar erzwungenen Quarantäne – werden wir vor immer neue Herausforderungen gestellt.
Wir müssen uns der Herausforderungen bewusstwerden, die in diesen Zeiten beruflich auf uns zukommen, und uns überlegen, wie wir unsere Arbeitsweisen neu strukturieren und uns mit den Gegebenheiten arrangieren können.
Für viele wird das Home Office, jedenfalls für einige Zeit, zur neuen Arbeitsstätte. Die Herausforderung besteht nun darin, die neue Arbeitssituation gut strukturiert und mit bestmöglichem Erfolg zu organisieren.
Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit spielen gerade in dieser Zeit eine große Rolle, denn damit vermitteln Sie Ihren Kunden das Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit. Wir alle haben Sorge, ob Leistungen, die wir gebucht haben oder erbringen müssen, auch weiterhin geregelt erfüllt werden können.
Hier bietet sich an, dass Sie Ihre Kunden mit einer freundlichen Information per E-Mail transparent auf die aktuelle Lage und mögliche Konsequenzen hinweisen. Teilen Sie mit, dass die Arbeit hauptsächlich im Home Office verrichtet wird, dass Sie jedoch – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten – keine Abstriche bei der Qualität Ihrer Arbeit zulassen werden.
Bieten Sie Ihren Kunden, wo möglich und sinnvoll, Informationsgespräche über die aktuelle Lage an. Das kann per Telefon oder auch per Videokonferenz geschehen. Haben Sie Verständnis dafür, dass Ihre Kunden jetzt ein vermehrtes Bedürfnis nach Information haben.
Des Weiteren empfehlen wir Ihnen, dass Sie Ihren Arbeitsalltag so normal wie möglich gestalten. Gehen Sie gewissenhaft Ihren Aufgaben nach, denn man verlässt sich auf Sie!
Doch was tun, wenn die Kinder nach noch mehr Aufmerksamkeit verlangen, kurz vor einem Lagerkoller stehen und Sie sie sinnvollerweise besser nicht bei den Großeltern abgeben sollten? Xbox und die ständige Beschäftigung mit dem Smartphone sind auf Dauer schließlich nur bedingt pädagogisch wertvoll.
Das Wichtigste sind eine klare Struktur im Alltag, die Halt gibt, und besondere Ereignisse am Wochenende, auf die sich Ihre Kinder freuen können.
Um den Tag sinnvoll zu gestalten, sollten vormittags vor allem die Lernangebote der Schulen wahrgenommen werden. Denn auch wenn die heimischen vier Wände zum Faulenzen verleiten, wird der Tag dadurch nicht kürzer oder spannender.
Der Nachmittag bietet die Gelegenheit, statt der geliebten Konsole eines der in Vergessenheit geratenen Brettspiele wieder hervorzuholen.
Binden Sie zudem Ihre Kinder in alltägliche Haushaltsarbeiten mit ein, denn Töpfe spülen sich genauso wenig von allein wie sich das Essen kocht.
Im Grunde ist alles recht, was einen geregelten und abwechslungsreichen Tagesablauf fördert. Ziel ist es, von der Krise weg und hin zu einer sich weitestgehend im häuslichen Rahmen abspielenden Normalität zu kommen.
Deshalb gilt auch für uns Erwachsene: Sorgen wir in unserem Alltag für Abwechslung! Sehen wir die Situation als Chance, wieder mal ein Buch zu lesen, Musik zu hören und die lang gewohnte Alltagshektik in weite Ferne rücken zu lassen. Nehmen wir die Umstände an und machen wir das Beste daraus!
“Sei dir ein angenehmer Gesellschafter. Mache Dir keine Langeweile, das heißt, sei nie ganz müßig.” (Adolph Freiherr Knigge)
Alles wird gut!
Liebe Leserinnen und Leser, letztendlich bleibt uns nicht mehr, als Ihnen Besonnenheit und Gesundheit zu wünschen. Wir hoffen, dass Sie den ein oder anderen Ratschlag beherzigen und sich den Ernst der Lage vor Augen führen.
Wir möchten aber auch zum Ausdruck bringen, dass wir diese Situation gemeinsam bestens bewältigen werden und als Gesellschaft gestärkt und noch bewusster in die Zukunft gehen können!
„Alles in der Welt geht vorüber; alles lässt sich überwinden durch Standhaftigkeit; alles lässt sich vergessen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand heftet“ (Adolph Freiherr Knigge)
„Alles wird gut!“ – mit diesen Worten beendete auch Adolph Freiherr Knigge schon immer seine Briefe.