Meine Einwände, dies seien veraltete Ansichten (meine Kollegin steht kurz vor der Pensionierung), brachten sie nur noch mehr in Rage. Ich bin aber sehr sicher, in Veröffentlichungen zu modernem Briefstil gelesen zu haben, dass ein "Ich" als Briefanfang heute erlaubt ist. Habe ich damit Recht?
Die Redaktion des meint dazu: Ja, das haben Sie. Aber gehen Sie nicht zu hart mit Ihrer Kollegin ins Gericht. Der Ich-Anfang in einem Brief war früher wirklich so etwas wie eine "Briefstil-Todsünde". Und: Der Stimmungswandel ist auch noch recht jung.Vielleicht helfen Ihnen die folgenden Erklärungen, Ihre Kollegin doch umzustimmen: Der Beginn eines Briefes mit „"ch" gilt nicht mehr wie früher als egozentrisch oder angeberisch. Für moderne (Geschäfts-)Korrespondenz wird empfohlen: Schreiben Sie, wie Sie sprechen – ungekünstelt, nicht geschraubt.
Vermutlich wird es Ihre Kollegin freuen zu hören, dass moderner Briefstil – besonders bei der Geschäftskorrespondenz – aber nun nicht bedeutet, den Ich-Anfang als das neue Nonplusultra zu forcieren. Besonders in Schreiben an Fremde oder bei Briefen an sehr distanzierte Personen ist ein Einstieg mit "Sie" die bessere Wahl.
Ich-Anfänge sind dann angebracht, wenn ein anderer Satzbau gekünstelt und eine spontane Gefühlsäußerung authentischer wirken würden. Beispiel: "Liebe Frau Schulz, ich freue mich sehr für Sie, dass Ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist!"