Vor 2 Minuten ist Ihnen der nette Herr gegenüber vorgestellt worden. Jetzt möchten Sie ihn gerne ansprechen. Leider haben Sie seinen Namen schon wieder vergessen. Dabei funktioniert Ihr Gedächtnis eigentlich ganz gut.
Nur mit den Namen haben Sie es offenbar nicht. Sich diese einzuprägen gehört jedoch zum Respekt, den Sie anderen Menschen schuldig sind. Zum Glück lässt sich ein solches Defizit beheben: Namen merken ist viel einfacher, als Sie denken.
In diesem Beitrag aus dem großen Knigge erhalten Sie hilfreiche Tipps, wie Sie sich Namen in Zukunft besser merken können.
Ein Stück des Seins und der Seele
“Der Name ist ein Stück des Seins und der Seele.” Dieser Satz stammt von Thomas Mann. Nach Überzeugung des Literatur-Nobelpreisträgers hängen Name und Wertschätzung direkt zusammen. Daraus leitet sich, nicht nur für Schriftsteller, ein Rat ab: Wer von einer anderen Person geachtet werden will, sollte bereit sein, deren Seele zu öffnen. Der erste Schritt auf diesem Weg ist die Nennung des Namens. Leider streikt bei diesem Vorhaben, trotz bester Absichten, häufig das Gedächtnis. Sobald ein Name genannt wird, gerät er bei vielen Zeitgenossen auch schon wieder in Vergessenheit.
Ein Geständnis
Zunächst muss ich (Ralf Höller) Ihnen als einer der Redakteure des großen Knigge etwas gestehen. Als der Beitrag, den Sie gerade lesen, in der Redaktion vergeben wurde, war mein erster Gedanke: Das ist ja eine gute Gelegenheit, an einem meiner Defizite zu arbeiten: Ich kann mir so gut wie keine Namen merken – obwohl ich sie gerade als Journalist behalten sollte, da ich viel mit Menschen zu tun habe und sie korrekt anreden möchte. Welche Ursache hinter dem allzu raschen Vergessen steckt, hatte ich mich freilich noch nie gefragt. Von der “Namen-Schwäche” abgesehen, funktioniert mein Gedächtnis recht gut. Vor allem was Zahlen und Fakten betrifft: Einmal aufmerksam gelesen, bleibt fast alles in Erinnerung. Dazu gehören auch Dinge, die ich nicht täglich brauche: z. B. Namen exotischer Hauptstädte.
Warum aber versagt mein Gedächtnis regelmäßig beim Behalten von Namen, deren Träger mir keine 2 Minuten zuvor vorgestellt wurden? Die Lösung des Rätsels brachte eine Zufallsbegegnung ans Licht.
Es geschah auf der Frankfurter Buchmesse. Dort kam ich an einem Stand mit einem anderen Journalisten ins Gespräch. Beim Blick auf das Namensschild fuhr es mir durch den Kopf: Den kennst du! Es war der Redakteur einer Wochenzeitung, die einen meiner ersten Artikel überhaupt angenommen hatte – vor 20 Jahren! Auf Nachfrage und nach einigen Erläuterungen konnte sich mein Gegenüber sogar an mich beziehungsweise an meinen Beitrag erinnern.
Inwiefern, fragen Sie sich jetzt womöglich, hängt diese erstaunliche Gedächtnisleistung mit der Unfähigkeit, sich kurzfristig Namen merken zu können, zusammen? Die Antwort werden Sie in diesem Beitrag aus dem großen Knigge erfahren.
Wechseln Sie die Perspektive
Zunächst aber ein Perspektivwechsel: Versetzen Sie sich bitte in die Rolle der Person, deren Name vergessen wird. Das ist ungefähr so, als würde sich Ihr bester Freund für das Nichtsenden einer Urlaubskarte entschuldigen: “Tut mir leid, aber ich hatte nur 10 Postkarten gekauft, die waren schon verschickt. Nicht böse sein …” Natürlich wären Sie böse! Und das zu Recht: Zeigt die Auswahl der Adressaten doch allzu deutlich, dass Sie Ihrem Freund nicht wichtig genug waren.
Kaum weniger kränkend ist das Überhören des Namens. Der verschmähte Träger wird sich über die Ursache der Nichtnennung Gedanken machen: Lag es an der Vergesslichkeit seines Gegenübers oder am mangelnden Interesse an seiner Person?
Gehen Sie positiv an die Sache heran!
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Je stärker sich jemand für ein Thema interessiert, desto leichter nimmt er alle damit in Zusammenhang stehenden Fakten in sein Gedächtnis auf. Lässt sich von der Sachebene auf den zwischenmenschlichen Bereich schließen?
Das würde bedeuten: Je mehr sich jemand für die Person interessiert, mit der er es zu tun hat oder die ihm gerade vorgestellt wurde, desto einfacher wird es sein, sich deren Namen zu merken.
Was hört der Mensch am liebsten?
Die Einstellung spielt eine entscheidende Rolle. Sie hilft Ihnen, Menschen, mit denen Sie bekannt gemacht werden – oder denen Sie bereits in der Vergangenheit begegnet sind –, mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Der Schlüssel zur positiven Änderung Ihres Verhaltens liegt in einer unscheinbaren Frage. Sie lautet: Was hört der Mensch am liebsten? Die Antwort klingt überraschend simpel: seinen Namen!
“Für jeden Menschen ist sein Name das schönste und
wichtigste Wort in seinem Sprachschatz.”
Dale Carnegie, Rhetorik-Bestsellerautor
Die Nennung des Namens gehört zum guten Ton
Das Lieblingswort Ihres Gesprächspartners können Sie nicht oft genug verwenden. Sprechen Sie Ihr Gegenüber mit dessen Namen an, fühlt sich die Person ernst genommen und akzeptiert. Davon profitieren nicht nur die Menschen, denen Sie begegnen. Auch Sie selbst genießen Vorteile. Sie werden als jemand mit guten Umgangsformen und vertrauenerweckender Ausstrahlung wahrgenommen. Auf diese Weise entsteht rasch eine harmonische Gesprächsatmosphäre.
Auch ein willkommener Nebeneffekt stellt sich bei der Namensnennung ein: Der Adressat wird Sie auf Anhieb sympathisch finden. Denken Sie nur einmal daran, wie Sie sich gefühlt haben, als jemand, den Sie bewundern oder schätzen, Sie vor anderen Leuten mit Ihrem Namen angesprochen hat!
Interview mit Jürgen Udolph, Deutschlands einzigem Professor für Namensforschung
Herr Udolph, wie merken Sie sich Namen?
Schwierig! Ich habe pro Woche 25 Sendungen in TV und Radio, da schaffe ich es nicht, mir jeden Namen zu merken. Das ist mir zwar manchmal peinlich, aber dahinter steckt weder böse Absicht noch mangelnder Respekt. Das Problem ist, dass viele Namen keinen Anknüpfungspunkt in unserer Sprache haben.
Warum hört der Mensch seinen eigenen Namen am liebsten?
Der Mensch ist Egoist. Er mag es, wenn andere sich mit ihm beschäftigen und sich für einen interessieren. Mit meinen Sendungen ist es ähnlich: Die Menschen kommen dorthin, weil sie etwas über ihren Namen, über ihre Herkunft und damit auch etwas über sich selbst erfahren möchten. Und weil sie, während ihr Name Gegenstand der Sendung ist, im Mittelpunkt stehen.
Weshalb hat der Name für seinen Träger eine so große Bedeutung?
Früher war das nicht so. Erst in jüngster Zeit beschäftigen sich in Deutschland Menschen mit ihrem Namen. Sie wollen wissen, wo er herkommt. Sie wollen wissen, welche Bedeutung er hat. Sie wollen wissen, warum sie so heißen.
Ein Beispiel: “Morgenschweiß” klingt wie Deo vergessen. Die wahre Herkunft des Namens ist jedoch viel positiver: Es handelt sich um jemanden, der bereits morgens gearbeitet hat.
Wie kommt es, dass wir Namen so leicht wieder vergessen und ein einmal genannter Name uns so häufig entfällt?
Namen sind häufig nicht mehr an Bedeutungen oder Funktionen geknüpft. Sie haben sich verselbstständigt. Sie sind in keinem normalen Wörterbuch zu finden und haben keinen Bezug zur Sprache mehr. Deswegen sind sie so schwer zu behalten. Einen “Schuhmacher” finden Sie noch im Duden oder im Lexikon, einen “Udolph” gewiss nicht.
Welchen Tipp haben Sie, damit man Namen nicht so leicht vergisst?
Bei Namen wie Schneider oder Müller ist es relativ leicht, da kann man sich die Berufstätigkeit vorstellen. Bei Namen ohne direkt erkennbare Bedeutung lässt sich der Anschluss an den normalen Wortschatz herstellen und mit einer Geschichte verbinden: So kann man “Merkel“ auf den Wortkern reduzieren und in einen kleinen Diskurs übers Vergessen und Behalten einflechten.
Der nächste Schritt
Professor Udolph hat zwar eine kleine Namensschwäche zugegeben. Andererseits hat er während des Interviews, das Sie gerade gelesen haben, 2-mal den Fragesteller mit Namen genannt – was bei diesem gut angekommen ist. Achten Sie einmal in Rundfunkinterviews auf den ersten Satz der Befragten: Häufig adressieren sie die Radiomoderatoren noch vor der ersten Antwort mit ihren Namen. Das sorgt für eine angenehme Gesprächsatmosphäre – und nebenbei für Sympathien bei den “neutralen” Hörern.
Wenn die Herangehensweise an die Kommunikation stimmt, kann der nächste Schritt erfolgen: Möchten Sie jemanden, den Sie kaum kennen, korrekt ansprechen, müssen Sie Ihr Gedächtnis aktivieren. Um sich den Namen Ihres Gegenübers zu merken, helfen Ihnen verschiedene Techniken. Nicht bei allen Persönlichkeiten sind sie gleichermaßen erfolgreich. Finden Sie für sich heraus, welche Vorgehensweise Ihnen am meisten liegt.
Keine Angst: Die Methoden lassen sich durchaus miteinander verbinden. Sollte Ihnen keine dieser Herangehensweisen zusagen, gibt es auch unkonventionelle Mittel und Wege, die sich für das Merken von Namen eignen.
3 Techniken, mit denen Sie Namen leichter memorieren
Sind Sie eher der auditive, der haptische oder der visuelle Typ? Im ersten Fall wird es Ihnen am meisten helfen, wenn Sie sich den Namen, den Sie sich merken wollen, mehrfach laut vorsagen. Haptische (von griechisch haptéin = den Tastsinn betreffend) Typen möchten etwas in der Hand haben; sie schreiben den Namen auf. Wer bei der Annäherung an Namen die visuelle Methode bevorzugt, schafft sich ein Bild, eine Verbindung vom Träger zu seinem Namen.
Der auditive Lerntyp
Wer besonders gut durchs Hören lernt, wird als auditiver Lerntyp (von lat. “audire” = hören) bezeichnet. Er versteht mündliche Erklärungen sehr gut, muss im Unterricht kaum mitschreiben und kann sich zum Beispiel gut auf Hörbücher konzentrieren. Seine Lernkurve verbessert sich, indem er laut liest.
Der haptische Typ
Der haptische Typ wird auch “motorischer Lerntyp” genannt. Er lernt am besten, wenn er Dinge ausprobieren, erleben und Erfahrungen sammeln kann. Er bevorzugt das Lernen durch Spielen, Experimente und Materialien zum Anfassen. Dem haptischen Typen hilft es außerdem, sich beim Lernen zu bewegen, etwa beim Wiederholen von Vokabeln auf und ab zu gehen.
Der visuelle Lerntyp
“Videre” (lateinisch) bedeutet “sehen“. Der visuelle Typ bevorzugt Bilder, Schaubilder, Notizen und niedergeschriebene Informationen zum Lernen. Diese kann er sich besonders gut merken. Er liest gern, doch es fällt ihm in der Regel relativ schwer, sich auf ein Hörbuch zu konzentrieren. Bei ihm prägen sich gehörte Informationen besser ein, indem er für sie anschließend oder bereits beim Hören ein Mindmap (spezielle Methode zur grafischen Zusammenfassung) erstellt.
Namen merken mit der auditiven Methode
Zunächst müssen Sie den Namen, den Sie sich merken wollen, richtig verstehen. Wenn Sie ihn laut wiederholen, haben Sie ihn bereits ein zweites Mal gehört. Das steigert Ihre Chancen beim späteren Memorieren.
- Konzentrieren Sie sich auf Ihr Gegenüber. Schauen Sie der Person dabei ins Gesicht: So steigern Sie Ihre Aufmerksamkeit.
- Sie verstehen den Namen noch besser, wenn Sie ihn zusätzlich von den Lippen ablesen können.
- Wenn Sie fürchten, dass zum erfolgreichen Erinnern ein einmaliges lautes Aussprechen eines Namens nicht reicht, wiederholen Sie ihn gedanklich einige Male, bis er sich eingeprägt hat.
- Seien Sie sich nicht zu schade nachzufragen, wenn die Aussprache Ihres Gegenübers undeutlich war oder Sie den Namen aus einem anderen Grund nicht genau verstanden haben. Oder wenn Sie Schwierigkeiten haben, den komplizierten Namen korrekt wiederzugeben: “Können Sie Ihren Namen bitte wiederholen? Ich möchte ihn auf jeden Fall richtig aussprechen.” Ihr Gegenüber wird Ihr Interesse zu schätzen wissen.
- Falls Sie zu schüchtern sind nachzufragen: Stellen Sie sich in einem solchen Fall vor, Sie sprächen mit Ihrem Partner am Telefon. Das wird es Ihnen leichter machen, sich ein zweites Mal nach dem Namen zu erkundigen.
Für Auditive: das Abc
Beim Memorieren hilft auditiven Typen ein einfacher Kniff: Spielen Sie, falls Ihnen ein Name nicht sofort einfällt, ein wenig auf Zeit. Lassen Sie ihn erzählen. Blicken Sie Ihrem Gegenüber, während er berichtet, ins Gesicht, und rattern Sie im Geiste das Alphabet herunter. Eine Sekunde Zeit pro Buchstabe sollten Sie sich schon lassen, sonst bringt die Vorgehensweise nichts ein. Beginnt der Name der Person nicht mit Z, stehen Ihre Chancen ganz gut. Noch höher ist Ihre Trefferquote, wenn Sie die auditive mit der haptischen Methode kombinieren.
Namen merken mit der haptischen Methode
Was geschrieben steht, findet auch den Weg ins Hirn: Für Menschen, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, ist die haptische Methode wie geschaffen. Das Problem: Meist bleibt zum Notieren nicht die erforderliche Zeit. Wird Ihnen jemand vorgestellt, würde es schon einen leicht sonderbaren Eindruck machen, wenn Sie sogleich den Namen notieren: Der Träger hätte womöglich Angst, Sie wollten das, was er sagt, auf der nächsten Polizeidienststelle zur Anzeige bringen.
- Notieren Sie sich den Namen also nur virtuell.
- Kombinieren Sie dies mit dem ersten Hören des Namens. Stellen Sie sich wieder vor, Sie seien in Ihrem Büro oder zu Hause und mit Ihrem Gegenüber per Telefon verbunden. Schreiben Sie im Geiste dessen Namen auf ein Blatt Papier.
- Fragen Sie bei Nichtverstehen oder „Nichtgenauverstehen“ nach. Schreiben Sie in diesem Fall den Namen ein zweites Mal auf das imaginäre Blatt Papier.
- Stellen Sie ruhig eine weitere Nachfrage. Dieses Mal erkundigen Sie sich nach der richtigen Schreibweise des Namens (“Mayer mit ai oder mit ey? Ach, mit ay, ist das die bayerische Schreibweise?”). Ihrem Gegenüber dürfte dies gefallen, das Nachfragen wird er als Interesse an seiner Person deuten.
- Bei einem komplizierten Namen können Sie den Träger auch bitten, ihn für Sie aufzuschreiben. “Herr Degidiben? Habe ich das richtig ausgesprochen? Können Sie Ihren Namen bitte hier notieren, dann kann ich ihn noch etwas üben – fürs nächste Mal!” Herr Degidiben wird es gewohnt sein, dass viele Leute seinen Namen falsch aussprechen. Von Ihrem aufrichtigen Bemühen wird er angetan sein.
- Nicht selten werden bereits bei der ersten Vorstellung Visitenkarten gereicht. Nutzen Sie eine solche Gelegenheit, indem Sie sich etwas Zeit nehmen und sich den Namen in aller Ruhe ansehen. Sie dürfen ihn sogar vorlesen. Ihrem Gegenüber – auch er hört am liebsten den eigenen Namen – wird diese Vorgehensweise eher schmeicheln, als dass er sich daran stört.
Für Haptische: die Augenfarbe
Sie müssen nicht alles sofort mit Buchstaben festhalten. Farben tun es zuweilen auch. Blicken Sie Ihrem Gegenüber bei der Vorstellung in die Augen! Können Sie die Farbe erkennen? Sind sie blau, schauen Sie kurz in den Himmel. Sagen Sie dazu diesen Satz: “Frau Kunze hat himmelblaue Augen.” In Ihrer Erinnerung wird beides miteinander verbunden. Das wirkt auf Ihr Kurzzeitgedächtnis.
Als haptischer Typ schreiben Sie sich hinterher den Namen lieber auf – oder lassen sich eine Karte geben. Notieren Sie zusätzlich Datum, Ort und Anlass des Kennenlernens. Ein weiteres Beispiel: “Herr Hinz hat graue Augen, so grau wie sein Anzug.” Schauen Sie auf den Anzug, merken Sie sich die Farbe Grau, und wiederholen Sie für sich den Namen: Hinz. Wie grau.
Die visuelle Methode
Die vielfältigsten, wenn auch nicht immer die schnellsten Memorierungs-Möglichkeiten bietet die visuelle Methode. Bauen Sie eine Eselsbrücke, um sich an Namen zu erinnern.
- Wenn Sie zum ersten Mal einen Namen hören, entwerfen Sie dazu passend ein gedankliches Bild. Anschließend verbinden Sie Person und Bild. Ein Beispiel: Sie haben soeben Herrn Becker kennengelernt. Stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge Herrn Becker vor, wie er in der Backstube steht, eine hohe weiße Mütze auf dem Kopf hat und Brötchen backt.
- Recht leicht zu merken und passend zum Namen in Erinnerung zu rufen sind körperliche Merkmale. Die Dame vor Ihnen ist mindestens einen Meter achtzig groß und heißt auch so: Lang. Herr Klein ist sogar noch größer, hat aber ganz kleine Ohren. Frau Zahn hat wirklich blendend weiße Zähne, Herr Kahl fällt durch seine Haarpracht auf. Frau Windisch hat eine besonders schnittige Frisur, Herr Braun eine auffällig dunkle Gesichtsfarbe. Dagegen wirkt Frau Weiß etwas blass, und Herr Sturm kommt ausgesprochen forsch daher.
- Ein zusammengesetzter Name lässt sich in seine Bestandteile zerlegen: Hofbauer etwa oder Goldberg, Engelmann oder Mühlhausen. Letzteren Namen können Sie auch mit einem Ort verbinden, Mühlhausen im Innkreis oder Mühlhausen in Thüringen. Häufig stammen Familiennamen von Ortsnamen ab.
- Namen wecken auch Assoziationen. Herr Wahnschaffe zum Beispiel: Dieser Mann hat in seinem Leben schon so wahnsinnig viel geschafft. Oder Frau Roleber: Die kauft die Leber roh, bevor sie sie in der Pfanne brät.
- Manchmal müssen Sie bei Namen ein wenig um die Ecke denken, um memorierfähige Bilder herzustellen. Herr Krafczyk ist ein kraftvoller Herr, der schick angezogen ist. Frau Manderfeld hat, lautmalerisch interpretiert, einen Mann, der fällt. Herr Nowitzki ist ein wenig humorlos, kein Witz! Und Frau Vandenberg kommt gerade von dem Berg herunter, auf dem sie wohnt.
Für Visuelle: Gesicht und Namen verbinden
Ordnen Sie einem Namen das Gesicht seines Trägers zu. Das geht so: Finden Sie ein gedankliches Bild für den Namen Ihres Gegenübers. Finden Sie anschließend ein gedankliches Bild für sein Gesicht. Verknüpfen Sie beides miteinander.
Ein Beispiel gefällig? Lauterbach: Stellen Sie sich einen Bach vor, der mit lautem Rauschen den Berg hinunterfließt. Stellen Sie sich dazu Herrn Lauterbachs fast kahlen Kopf und sein Gesicht vor, das bereits einige Falten aufweist: Entsprechend imaginieren Sie einen Felsen, der kaum bewachsen und mit Furchen übersät ist. Verknüpfen Sie Namen und Gesicht: Verfolgen Sie, wie der Bach mit lautem Getöse auf den kaum bewachsenen und mit Furchen übersäten Felsen stürzt. Und vor Ihrem geistigen Auge erscheint: Herr Lauterbach …
Namen merken – auch eine Frage der Einstellung
Diese Techniken sind, wohlgemerkt, eine Erinnerungshilfe. Eine gute Kinderstube können sie nicht ersetzen. Wer auf seine Umgangsformen achtet und anderen Menschen den gebotenen Respekt entgegenbringt, besitzt ideale Voraussetzungen für ein funktionierendes Namensgedächtnis. Aufrichtiges Interesse an der Person, die einem vorgestellt wird, ist die beste Motivation, um der Leistung seiner grauen Zellen auf die Sprünge zu helfen.
Andererseits wird niemand von Ihnen das perfekte Gedächtnis verlangen. Fehler dürfen passieren. Eine höfliche Entschuldigung, warum Ihnen ein Name entfallen ist, sollten Sie freilich vorbringen. Das gebietet der Respekt. Professor Udolph beispielsweise hat mit akuter Reizüberflutung einen nachvollziehbaren Grund für seine Namensschwäche geliefert.
Bekunden Sie Ihr Interesse am Gegenüber!
Versuchen Sie, im Gespräch mit einer noch unbekannten Person möglichst rasch herauszufinden, wie sie heißt. Mit der Antwort haben Sie sogleich einen guten Anknüpfungspunkt gefunden, um das Gespräch zu vertiefen. Was das Thema betrifft, bleiben Sie noch eine Weile beim Namen Ihres Gegenübers. Je mehr Sie über ihn erfahren, desto besser werden Sie ihn in Erinnerung behalten – kurzfristig und auf lange Sicht.
- Stellen Sie sich Ihrem Gegenüber vor, und fragen Sie nach seinem Namen. So geben Sie ihm gleich die Möglichkeit, sein Lieblingswort zu benutzen.
- Bekunden Sie weiteres Interesse. Besitzt Ihr Gegenüber einen ungewöhnlichen Namen, dürfen Sie ruhig nachfragen, ob Sie ihn richtig verstanden beziehungsweise korrekt ausgesprochen haben. Das zeigt Anteilnahme und drückt ein Stück Herzlichkeit im Miteinander aus.
Weiterer Vorteil eines ungewöhnlichen Namens: Sie können nach dessen Herkunft fragen. Ihr Gegenüber – siehe auch Professor Udolphs Beispiel mit Herrn Morgenschweiß – wird gern antworten!
Ein Rat von Professor Udolph: Ich gebe meinen Studenten, wenn sie ein Vorstellungsgespräch haben, Folgendes mit auf den Weg: "Fragen Sie nach, wenn jemand einen interessanten Namen hat, zum Beispiel der Personalleiter. Anschließend wird der Mann Ihnen sicher gern über die Herkunft seines Namens berichten. So kann er über sich selbst erzählen – was jeder am liebsten tut – und wird sich noch lange an das tolle Gespräch erinnern! Und damit auch an Sie!" Und wenn Ihr Gesprächspartner einen gewöhnlichen Namen hat? Auch dann bietet sich Ihnen die Möglichkeit, ein wenig nachzuhaken.
Das große Knigge-Beispiel: Ihr Gegenüber heißt Drexler. Übt er den Beruf noch aus? Nein, der Name schreibt sich doch mit “x”, nicht mit “chs”! Aha. Warum eigentlich? Schon hat Ihr Gegenüber einen weiteren Anknüpfungspunkt und wird Ihnen gerne Näheres über seinen Familiennamen berichten.
Die große Knigge-Übersicht: Wie Sie sich den Namen am schnellsten merken
Sobald Ihnen der fremde Namen gesagt wurde, sollten Sie ihn auch benutzen! Je häufiger Sie ihn nennen, desto fester verankert er sich in Ihrem Gedächtnis. Lassen Sie die persönliche Anrede hier und da in die Konversation einfließen:
- “Wie ist denn Ihre Meinung dazu, Frau Schindler?”
- “Das habe ich Ihnen noch nicht erzählt, Herr Kayankaya …”
- “Frau Kuczynski, Sie haben mich in der kurzen Zeit schon zweimal zum Lachen gebracht!”
- “Herr Wolfschmidt, das hört sich interessant an. Erzählen Sie doch ein wenig mehr davon!”
Ein Erfolgsgeheimnis von Napoleon
Napoleon Bonaparte war einer der erfolgreichsten Feldherren der Geschichte. Er wäre vermutlich auch ein guter Fußballtrainer geworden. Man sagt ihm nach, er habe die Namen aller seiner Soldaten gewusst.
Das ist wohl etwas übertrieben, hat aber einen wahren Kern. Napoleon war auch ein erfolgreicher Redner. Sein einziges Erfolgsgeheimnis, laut eigener Aussage: die Wiederholung! Ähnlich war vermutlich sein Umgang mit Namen: Deren Träger wird er in Gesprächen möglichst oft persönlich angesprochen haben.
So finden Sie die richtige Einstellung zu Namen und deren Trägern
Ich bin Ihnen noch eine Antwort schuldig: Wie kommt es, dass mein Langzeitgedächtnis so gut, mein Kurzzeitgedächtnis gerade in Bezug auf Namen jedoch so schlecht funktioniert? Bei mir, das habe ich herausgefunden, ist es eine Sache der Einstellung.
Alle 3 oben besprochenen Techniken habe ich ausprobiert. Die visuelle Methode hat bei mir überhaupt nicht funktioniert, die beiden anderen schon. Die besten Erfolge allerdings hatte ich, wenn ich gleich bei der Vorstellung einer fremden Person zu mir selbst gesagt habe: “Ich interessiere mich für sie! Ich will ihren Namen behalten!”
Wenn Ihnen ein Name partout nicht einfallen will
Allen guten Vorsätzen und allen Bemühungen in puncto Memorierung zum Trotz kommt es hin und wieder vor, dass einem ein Name partout nicht einfallen will. Doch auch für solche heiklen Fälle gibt es zum Glück eine Lösung. Zu den größten Unannehmlichkeiten gehört es, wenn Sie den Namen Ihres Gegenübers vergessen. In solchen Fällen hilft es nicht, lange nach Ausreden zu suchen. Treten Sie lieber die Flucht nach vorn an. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner mit einer kleinen Entschuldigung noch einmal nach seinem Namen.
- Eine Notlösung, mit der Sie Ihr Gesicht wahrenDie ganze Situation erscheint weniger peinlich, wenn Sie glaubhaft vermitteln, dass Ihnen zwar nicht der Name, wohl aber die Person im Gedächtnis haften geblieben ist. Sagen Sie beispielsweise: “Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere kleine Diskussion über die Rechtschreibreform. Letzten Sommer war das, nicht wahr? Leider muss ich gestehen, dass ich Ihren Namen vergessen habe.”
Ihr Gegenüber wird es mit Fassung tragen. Es wäre ihm zwar lieber gewesen, Sie hätten seinen Namen behalten, doch mit Ihrer „eleganten“ Entschuldigung haben Sie trotz der misslichen Situation Sympathiepunkte gesammelt. Bei der nächsten Begegnung dürfen Sie allerdings nicht schon wieder den Namen vergessen, sonst verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit.
- Humor hilft auch in peinlichen SituationenWenn nichts mehr geht, hilft der Humor. Statt einer Entschuldigung für Ihr mangelndes Erinnerungsvermögen dürfen Sie, damit die Situation nicht zu peinlich wird, einen großen deutschen Theaterregisseur zitieren. Sagen Sie zu Ihrem Gegenüber:
“Im Moment geht es mir wie dem Bühnenschriftsteller und Schauspieler Curt Goetz. Der hat einmal gesagt: ‘Drei Dinge kann ich mir nicht merken. Das eine sind Namen, das andere Zahlen, und das dritte habe ich vergessen.’ Darf ich Sie noch einmal nach Ihrem Namen fragen?”
Nutzen Sie die Magie der Namen!
Der Name, das haben Sie gleich zu Beginn dieses Beitrags aus dem großen Knigge erfahren, ist ein Stück der Seele. Um bei Ihrem Gegenüber ein wenig Seelenmassage zu betreiben, sollten Sie im Gespräch öfters dessen Namen nennen. Selbst bei ungewöhnlichen Namen lohnt sich ein wenig Aufwand.