Nein sagen lernen
Wie oft denken Sie bei Angeboten, Aufforderungen und Bitten „Da kann ich wohl schlecht Nein sagen“?
Vielleicht geht es Ihnen wie vielen Menschen: Schnell lassen Sie sich zu etwas überreden, wozu Ihnen die Lust, die Zeit oder – noch unangenehmer – die innere Überzeugung fehlt. Leider bleibt es selten bei diesem einen Mal, und Sie tappen erneut in die Ja-sage-Falle.
Dieser Beitrag aus dem zeigt Ihnen, wie Sie der Verlockung, vorschnell Ja zu sagen, widerstehen und wie Ihnen ein freundliches Nein leichter über die Lippen geht.
Wie würden Sie handeln?
Nein oder nicht Nein, das ist die Frage – die häufig erst gar nicht gestellt wird. Ist das bei Ihnen anders? Oder gehören Sie auch zu denjenigen, die in den meisten Situationen erst einmal Ja sagen? In der Regel geschieht dies aus Gutmütigkeit. Überlegt wird nicht lange; auch der Gedanke an die Konsequenzen bleibt aus.Die Folgen sind fatal: Plötzlich befinden Sie sich in einer Lage, aus der es so schnell kein Entrinnen mehr gibt. Doch lässt sich eine solche Entwicklung überhaupt verhindern? Lesen Sie zunächst das folgende Beispiel der Chefredakteurin vom , und fragen Sie sich anschließend, wie Sie reagiert hätten:
Führerschein weg – und nun?
Neulich rief mich eine gute Freundin an. Der Führerschein war weg. Nicht ihrer, aber der ihres Chefs: Er war zu schnell gefahren, in eine Kontrolle geraten und den „Lappen“ für 4 Wochen los. Jetzt bat er sie, ihn in dieser Zeit morgens zu Hause abzuholen und abends wieder abzusetzen. Das wäre ja kein großer Umweg. Während der Arbeitszeit könne sie ebenfalls die eine oder andere Fahrt übernehmen, oder etwa nicht?
Am liebsten hätte sie Nein gesagt: Früher aufstehen würde sie nicht müssen, dafür aber abends länger bleiben. Und die Fahrten zwischendurch bedeuteten jedes Mal eine lästige Unterbrechung der ohnehin vielen Arbeit.
Andererseits: Kann man seinem Chef einen solchen Wunsch abschlagen? Wären bei einem Nein in Zukunft nicht berufliche Nachteile zu befürchten? Läge es nicht im Interesse des Unternehmens, den Chef zu chauffieren, und wäre eine Weigerung womöglich gleichbedeutend mit betriebsschädigendem Verhalten? Alles Fragen, die keine rasche, einsilbige Replik vertragen.
Was hätten Sie der Rat suchenden Freundin geantwortet?
Zunächst dachte ich nur daran, dass die Arme in einer viel größeren Klemme gewesen sein muss als ich bei ihrem Anruf. Und nun raten Sie mal, wie die Freundin reagiert hatte: Ein spontanes Ja? Oder war sie auf eine Ausrede verfallen? Hatte sie es vielleicht mit einem Scherz versucht („Da muss ich erst einmal mein Auto fragen!“)? Nichts von alledem. Sie hatte den Chef um Bedenkzeit gebeten. Die Entscheidung wollte sie ihm am folgenden Morgen mitteilen. In der Zwischenzeit rief sie mich an.
Weitere Beispiele
Nicht immer sind die Umstände des Nein-Sagens und seiner befürchteten Folgen so schwerwiegend. Die Situationen, die ich in den folgenden Beispielen schildere, haben Sie – oder Ihre Freunde, Bekannten und Kollegen – bestimmt auch schon in der einen oder anderen Form erlebt. Und wenn nicht, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass Sie künftig mit einem ähnlichen Dilemma konfrontiert werden. Haben Sie sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt, sind Sie vorbereitet – und viel eher in der Lage, eine durchdachte, abgewogene Entscheidung zu treffen.
Test: Stellen Sie sich bitte die folgenden Situationen vor: Wie würden Sie handeln?
- Sie möchten Ihren Geburtstag – anders als im letzten Jahr – in einem kleinen Rahmen feiern. Da lädt sich jemand, der nicht für den Kreis vorgesehen war, praktisch selbst ein: „Du hast ja bald wieder Geburtstag, übernächsten Montag, oder?“ Sind Sie jetzt verpflichtet, die Person hinzu zu bitten?
- Sie sollen für die Kollegin wieder mal einen Brief auf Englisch schreiben, „weil du das so gut kannst“. Sie können das tatsächlich gut, aber haben auch wenig Zeit. Briefe auf Englisch fallen durchaus ins Ressort Ihrer Kollegin. Sagen Sie zu oder ab?
- In der Fußgängerzone werden Sie von einem freundlichen Mitglied einer Stiftung angehalten. Es geht darum, ein Herz für Tiere zu zeigen und ein wenig zu spenden. Sie haben ein Herz für Tiere, wollen aber nicht spenden. Ihr Gegenüber gäbe sich auch mit einer Unterschrift gegen Tierversuche zufrieden. Ist es inkonsequent, wenn Sie jetzt Nein sagen?
- Ein Freund will, dass Sie ihm einen Geldbetrag leihen. Sie wollen beides nicht verlieren, weder das Geld noch den Freund. Erfüllen Sie ihm den Wunsch? Oder schlagen Sie ihn ab?
- Das Telefon klingelt, ein Headhunter ruft an. Er offeriert Ihnen einen Arbeitsplatz beim Branchenführer mit einem um die Hälfte höheren Gehalt als dem bisherigen. Von selbst wären Sie nicht auf die Idee gekommen, sich dort zu bewerben. Greifen Sie trotzdem zu?
- Ein guter alter Bekannter ist zu Besuch, die letzte Bahn bereits weg. Er will bei Ihnen übernachten. Sie wollen das nicht. Das hat Gründe: Am nächsten Morgen, das sagt die Erfahrung, würden Sie beim Frühstück zwei Stunden lang zugetextet werden. Gewähren Sie ihm Obdach?
Mögliche Lösungen für diese Situationen und das Eingangsbeispiel finden Sie weiter unten in diesem Beitrag. Aber zuvor geht es um die Folgen des Neins, die häufig unangenehm sind und Sorgen bereiten.
Die Angst vor dem Nein
Das Unbehagen, das bei vielen Menschen mit einem Nein verbunden ist, stammt unter anderem aus der Kindheit: Einige Menschen, vor allem die ältere Generation, wurden dazu erzogen, eher Ja als Nein zu sagen, Wünsche nicht abzuschlagen und andere nicht zu enttäuschen. Erst als Jugendlicher kommt die Befähigung hinzu, eigene Interessen bewusst zu vertreten. Allerdings ist bei nicht wenigen Erwachsenen die soziale Bindung immer noch so stark, dass das An-sich-selbst-Denken häufig mit einem schlechten Gewissen einhergeht. Gutmütigkeit ist nicht der schlechteste Charakterzug. Er wird allerdings zur Belastung, wenn jemand sich ausnutzen lässt. Sich ausnutzen lassen bedeutet nichts anderes als die Unfähigkeit, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen. Umgekehrt besitzt die Person, die andere ausnutzt, den Vorteil, dass gleich zwei für ihre Bedürfnisse eintreten.
Werden Sie ausgenutzt?
Zwischen „Gutmütig sein“ und „Ausgenutzt werden“ ist nur ein kleiner, aber entscheidender Schritt. Dieser hängt mit der Angst vor dem Nein und der Fähigkeit, seine eigenen Interessen zu vertreten, zusammen. Menschen, die leicht ausgenutzt werden,
- ist es sehr wichtig, von anderen akzeptiert und gemocht zu werden;
- richten sich in erster Linie an den Erwartungen ihres Umfelds aus;
- ist es unangenehm, an sie herangetragene Wünsche abzulehnen;
- sind übermäßig stark vom Urteil anderer Personen abhängig;
- hassen es, Konflikte auszutragen;
- besitzen ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis und wollen, dass sich in ihrer Umgebung alle wohlfühlen;
- fällt es ungemein schwer, ein bewusstes, deutliches und eindeutiges Nein auszusprechen.
Wer ein Nein nur mit Einschränkungen vorbringen kann, sagt besser gleich Ja. Nur so wird ein Nein – mit einem gleich dahinter folgenden Aber – vom bittenden oder fordernden Gegenüber gedeutet. Doch zieht ein Ja auch Konsequenzen nach sich. Daher will eine Zustimmung gut überlegt sein. Mit anderen Worten: Wenn Sie Ihr Ja bewusst äußern, können Sie die Konsequenzen viel besser abschätzen. Leider wird ein Ja meist vorschnell und unreflektiert vorgebracht. Auch das hat Gründe: Ja-Sager unterliegen einer (selbst-)täuschenden Vorspiegelung von Sicherheit.
Die Irrtümer der Ja-Sager
Menschen, die schlecht Nein sagen können, fürchten, im Beruf nicht weiterzukommen, auf der Arbeitsstelle als wenig belastbar eingestuft zu werden, im Freundeskreis als egoistisch und in der Familie als nicht verlässlich zu gelten. Andererseits stellen sie sich kaum die Frage, ob bei einem Ja der umgekehrte Effekt eintreten würde. Die häufigsten Irrtümer, die zu einem Ja verleiten, sind folgende:
- Nein sagen torpediert die Zusammenarbeit. Aber: Beinhaltet eine gute Kooperation nicht mehr, als dass eine Seite immer nur Ja sagt?
- Nein sagen enttäuscht. Aber: Wie groß wird erst die Enttäuschung sein, wenn die Person, auf die sich immer verlassen wird, plötzlich nicht mehr da ist?
- Nein sagen ist egoistisch. Aber: Ist es nicht egoistischer, Hilfsbereitschaft ständig auszunutzen?
- Nein sagen erzeugt Streit. Aber: Ist gepflegtes Streiten nicht fruchtbarer als ständiges Abnicken?
- Nein sagen verscherzt Sympathien. Aber: Sollten Sympathien nicht einer Person als Ganzes gelten statt von einzelnen Situationen abhängig sein?
- Nein sagen lässt andere hängen. Aber: Wäre Hilfesuchenden nicht eher damit gedient, ihnen tragfähige Alternativen aufzuzeigen?
- Heute Nein sagen heißt morgen ein Nein erhalten. Aber: Muss immer erst betont werden, dass eine Hand die andere wäscht? Vertragen gegenseitige Hilfe und effektives Netzwerken kleinkariertes Aufrechnen?
Ihr Weg aus der Ja-Falle
Menschen, die immer nur Ja sagen, erwecken in anderen eine Erwartungshaltung: Diese wird enttäuscht, sobald ihnen ein Nein über die Lippen kommt. So weit sollte es erst gar nicht kommen. Haben sich Ihre Vorgesetzten und Kollegen erst einmal an Ihre Verfügbarkeit gewöhnt, gibt es kein Zurück mehr: Jede(r) erwartet wie selbstverständlich, dass Sie alle an Sie herangetragenen Bitten erfüllen.
Um überzogene Ansprüche gar nicht erst entstehen zu lassen, ist es notwendig, manchen geäußerten Wunsch abzuschlagen. Sobald Sie sich dieser Tatsache bewusst sind, fällt es Ihnen leichter, entgegen ihrer üblichen Gewohnheit auch einmal Nein zu sagen.
Was passiert, wenn ich Nein sage?
Der zweite Schritt aus der Ja-Falle ist das Durchspielen möglicher Konsequenzen einer Ablehnung: Was passiert, wenn ich Nein sage? Allein schon der Gedanke an diese Frage verursacht bei nicht wenigen Menschen Panik. Führen Sie sich in aller Ruhe die Konsequenzen Ihres Neins vor Augen. Nicht alle sind negativ:
- Lehnen Sie zusätzliche Aufgaben gelegentlich ab, können Sie Ihre eigenen schneller und konzentrierter erledigen.
- Ständiges vorschnelles Zusagen basiert häufig auf Angst. Es ist die Angst, die ein Nein – auch in Fällen, in denen eine Absage ganz offensichtlich die bessere Lösung wäre – unmöglich macht. Das hat Nebenwirkungen: Sie halten sich für wenig durchsetzungsfähig und verlieren den Mut, eigene Standpunkte zu vertreten. Durchbrechen Sie diesen Teufelskreis! Sie gewinnen a) mehr Zeit, b) mehr Courage und c) mehr Selbstsicherheit.
- Schlagen Sie einer Freundin oder einem Freund einen Wunsch ab, riskieren Sie dadurch nicht gleich die Freundschaft. Wirkliche Freunde erkennen Sie daran, wer noch zu Ihnen hält, wenn Sie sich nicht ständig ausnutzen lassen.
- Gegenleistungen dürfen Sie nicht in der gleichen Häufigkeit erwarten, mit der Sie Ja sagen. Erst nachdem Sie das Nein-Sagen gelernt haben, wird Ihr Umfeld die Notwendigkeit von Gefälligkeiten hinterfragen und auch Ihre eigenen Bedürfnisse zur Kenntnis nehmen.
- Ja-Sager sind nett, werden aber nicht ernst genommen. Sinnvolles Nein-Sagen dagegen zeigt, dass Sie Ihre Grenzen kennen, und verschafft Respekt.
Machen Sie sich zuerst bewusst, was Sie mit Ihrer Antwort erreichen wollen.
Im Expertinnen-Interview: Susanne Dietzel
Susanne Dietzel ist diplomierte Psychologin, Managementtrainerin und Organisationsberaterin. In ihren Coachings und Seminaren zu den Themen Arbeitstechniken und Selbstorganisation ist auch die Abgrenzung und das Nein-Sagen immer wieder ein Thema. Ihre Firma „ok-training, Organisationsberatung und Kommunikation“ hat ihren Sitz in Marburg.
Ja oder nein? So finden Sie die richtige Entscheidung
Wer anderen wirklich helfen möchte, kann das am besten, nachdem er seine eigenen Bedürfnisse erkannt hat und seine Interessen mit denen seiner Umgebung in Einklang bringt. Das sagt die Marburger Diplom-Psychologin Susanne Dietzel. Im Interview erklärt sie, wie Sie den Weg zur richtigen Entscheidung finden.
Frau Dietzel, warum folgt bei vielen Menschen auf ein Nein ein schlechtes Gewissen?
Einer der Hauptantreiber unseres Verhaltens heißt: „Mach es allen recht!“ Schon in der Kindheit haben wir gelernt, dass nur liebenswert ist, wer möglichst vielen gefällt. Das Bemühen, allseits beliebt zu sein, ist allerdings mit der Gefahr verbunden, leicht ausgenutzt zu werden.
Manchmal muss man aber Ja sagen, um es sich nicht mit jemandem zu verscherzen – beispielsweise mit dem Chef …
Muss man das? Man sollte sich in einem solchen Fall lieber überlegen, was allen Beteiligten mehr nutzt: das Ja oder das Nein? Müssen Sie mal länger arbeiten, sollte das kein Problem sein. Müssen Sie ständig länger arbeiten, hat dies negative Folgen. Übrigens nicht nur für Sie: Auch für Ihren Chef ist ein gesunder, nicht überarbeiteter Mitarbeiter langfristig wertvoller.
Kann ich das dem Chef so sagen?
Warum nicht? Es ist immer auch eine Frage der Formulierung. Überlegen Sie sich vorher gut, was Sie sagen und wie Sie es sagen. Kann Ihr Chef Ihren Argumenten folgen? Dann wartet er bald mit einem Vorschlag auf, mit dem Sie beide zufrieden sind. Stellt er sich taub – und ist das Teil eines Verhaltensmusters –, sollten Sie sich Gedanken über Ihre berufliche Zukunft machen. Steht die Karriere für Sie im Vordergrund? Oder werden Sie im Rückblick auf die Situation später stolz auf Ihr Nein sein?
Wechseln wir ins Private: Darf ich, wenn ich einen Wunsch abschlage, auch sagen, dass ich keine Lust habe?
Sie sollten ehrlich sein und sich gegenüber Freunden nicht taktisch verhalten. Seien Sie lieber offen, statt nach Ausflüchten zu suchen und möglicherweise zu lügen. Die Formulierung ist auch hier das A und O und ein wenig Fingerspitzengefühl ist ebenfalls von Vorteil. Ihr Nein sollte für die Person, die es betrifft, nachvollziehbar sein.
In Ratgebern liest man häufig, ein Nein sollte ganz knapp ausgesprochen werden: Je länger die Rechtfertigung, desto größer sei die Gefahr, dass aus einem Nein doch noch ein Ja wird …
Nein ist das Wort, das Ihnen am meisten Zeit spart – und das Sie vor Dingen bewahrt, die Sie nicht tun möchten. Begründen sollten Sie Ihr Nein schon. Sonst stoßen Sie die andere Person vor den Kopf. In manchen Fällen müssen Sie etwas mehr Zeit investieren. Machen Sie sich zuerst bewusst, was Sie mit Ihrer Antwort erreichen wollen. Und dann entscheiden Sie sich für ein Ja oder ein Nein.
Wie Sie Ihr Nein in die passenden Worte kleiden
Das erfolgreiche Nein, das von allen Beteiligten akzeptiert wird, ist vor allem eine Frage der Verpackung. Formulieren Sie Ihre Absage so, dass sich niemand benachteiligt, verletzt oder im Stich gelassen fühlt. Sprechen Sie freundlich, aber bestimmt. Sagen Sie andererseits aber auch klar, was Sie wollen. Statt Ausreden oder Notlügen zu gebrauchen, erklären Sie, warum Sie etwas nicht machen können oder wollen. Sie müssen sich aber nicht ständig rechtfertigen.
Ein direktes Nein muss nicht stillos sein
Hart in der Sache, verbindlich im Ton: So kommen Sie mit Ihrem Nein zum Ziel. Verzichten Sie auf verwässernde Formulierungen wie „vielleicht“ oder „eigentlich“. Je überzeugender und deutlicher Ihr Nein beim Gegenüber ankommt, desto eher wird es akzeptiert. In dem Maße, wie Sie von Ihrer Umgebung Respekt für sich und die Anerkennung Ihrer Bedürfnisse einfordern, müssen Sie Ihrem Umfeld entgegenkommen. Zeigen Sie Verständnis für das Anliegen der um einen Gefallen bittenden Person. Bleiben Sie aber in der Sache konsequent: Lehnen Sie klar und deutlich ab. Ihr Nein mildern Sie durch den Ton ab. Zusätzlich können Sie Alternativen anbieten, falls Ihnen das möglich ist.
So geraten Sie erst gar nicht in die Ja-Falle
Wer zu schnell Ja sagt, ist den Tricks seiner Umgebung oft hilflos ausgeliefert. Hier sind einige typische Beispiele, mit denen arglose Menschen immer wieder geködert werden. Zum Glück gibt es Methoden, um sich dagegen zu wehren, wie die folgenden Beispiele aus dem zeigen:
- Sie werden mit einem Lob geködert: Schlagen Sie den Bittsteller mit seinen eigenen Waffen: „Ich habe eine Aufgabe übernommen, die bis morgen um 9 Uhr fertig sein muss und meine volle Konzentration verlangt. Aber schön, dass Sie meine Arbeit so schätzen!“
- Sie fühlen sich verpflichtet: Signalisieren Sie Ihre grundsätzliche Hilfsbereitschaft und sagen Sie gleichzeitig, warum es im Moment nicht geht: „Beim nächsten Mal gern. Aber jetzt bin ich auf dem Weg in die Stadt. Ich muss noch einen Behördengang erledigen, und das Amt hat nur einmal die Woche nachmittags auf.“
- Sie werden kurzfristig um Hilfe gebeten: Signalisieren Sie, dass Sie nur im Augenblick keine Zeit haben: „Du weißt ja, dass ich gerne auf deine kleine Tochter aufpasse. Ein anderes Mal gerne, aber heute Abend geht es wirklich nicht.“
-Tipp: Formulieren Sie Ich-Botschaften. Damit zeigen Sie Anteilnahme am Problem Ihres Gegenübers. Gleichzeitig machen Sie Ihr eigenes Anliegen deutlich. Die oder der von Ihrer Absage Betroffene hat nicht den Eindruck, als wäre Ihr Nein gegen ihre/seine Person gerichtet.
Bieten Sie Alternativen an
Signalisieren Sie bei Ihrem Nein, dass Sie an einer Lösung des Problems interessiert sind und den Bittsteller „nicht im Regen stehen lassen“. Formulierungen, die Ihr Nein für andere erträglicher machen, wären:
- „Heute muss ich leider pünktlich gehen. Ich kann aber gerne morgen etwas früher kommen und die Unterlagen für Sie fertig machen.“
- „Ich bin leider nicht der richtige Ansprechpartner für Sie. Ich habe prinzipiell kein Interesse, an telefonischen Umfragen teilzunehmen. Es wäre auch für Sie sicher kein Vergnügen, die nächsten Minuten mit einem genervten Gesprächspartner zu verbringen.“
- „Ich kann dir die Präsentation nicht abnehmen. Aber ich stelle dir gerne meine Unterlagen zu diesem Thema zur Verfügung. Wenn du dann noch eine Frage hast, werde ich dir in einer ruhigen Minute gerne helfen.“
- „Leider kann ich dir die Sachen nicht aus der Stadt mitbringen. Ich habe heute nur ganz wenig Zeit und kann nur kurz Pause machen. Geht es nicht auch morgen? Dann habe ich mehr Zeit.“
So wirkt Ihr Nein sympathisch
Nein sagen und trotzdem sympathisch rüberkommen – das schaffen Sie mit dieser unscheinbaren, aber wirksamen Formulierung: „Das passt im Augenblick gerade nicht.“ Diese Aussage stellt die meisten Fragesteller zufrieden. Die betreffende Person lässt die Bitte daraufhin fallen. Gehen Sie aber nicht inflationär mit dieser Variante um: Je persönlicher eine Beziehung ist, desto weniger glaubwürdig wirkt das zu häufige Anwenden dieser Methode!
Die Auflösung der Beispiele
Wie würden Sie handeln? Das hatten wir Sie angesichts von 6 Beispielsituationen gefragt. Hier die Auflösung:
- Sie sind nicht verpflichtet, jemanden, den Sie ursprünglich nicht für eine Feier vorgesehen hatten, nachträglich einzuladen – nur weil die Person Ihnen zufällig über den Weg läuft. Auf die Frage „Hast du nicht übernächsten Montag Geburtstag?“ antworten Sie einfach mit dem Wort, das Ihnen ohnehin leicht über die Lippen kommt: Ja! Mehr müssen Sie in einer solchen Situation nicht sagen. Wechseln Sie einfach das Thema. Ihr Gegenüber wird das nicht als Affront auffassen. Sie können sich mit ihm, falls Sie dies möchten, auf ein Bier oder ein Essen im Restaurant verabreden – einfach so, ohne dass ein feierlicher Anlass besteht.
- Sie können der Kollegin nicht die Aufgaben abnehmen. Diese sollte sich angewöhnen, selbstständig zu arbeiten und sich nicht auf andere zu verlassen. Was, wenn Sie einmal nicht da sind? Gehen Sie pädagogisch vor: Ihre Kollegin schreibt den Brief auf Englisch. Bieten Sie Ihr an, die Vorlage zu prüfen und zu korrigieren. Das erfordert sehr viel weniger Zeit, als den Brief komplett zu schreiben. Und wenn die Vorlage unbrauchbar und die Überarbeitung doch Zeit raubend ist? Dann lassen Sie die Kollegin einen neuen Versuch starten!
- Werden Sie um eine Spende oder auch nur um eine Unterschrift gebeten, sollten Sie nicht achtlos vorübergehen. Hören Sie sich das Anliegen des Sammlers kurz an. Redet er zu lange, unterbrechen Sie ruhig. Im Inneren haben Sie die Angelegenheit bereits geprüft. Fällen Sie rasch eine Entscheidung: „Nein, ich möchte nichts spenden. Unterschreiben werde ich aber gerne.“ Oder Sie sagen: „Ich fördere eine Sache oder leiste dafür meine Unterschrift nur, wenn ich auch zu 100 Prozent dahinterstehe. Bei Ihrem Anliegen ist das nicht der Fall.“
- Die Anekdote um die beiden Mimen zeigt: Schon manche Freundschaft ist am Geld zerbrochen. Bevor Sie eine Bitte um eine Leihgabe erfüllen, machen Sie sich bewusst, wen Sie vor sich haben: Werden Sie Ihr Geld zurückbekommen? Oder ist Ihnen das nicht so wichtig? Wenn Sie von Ihrem Freund wissen, dass er es mit der Rückzahlung nicht so genau nimmt, dürfen Sie die Bitte um eine Leihgabe getrost abschlagen. Antworten Sie jedoch so einfühlsam, dass die Person Ihre Entscheidung nachvollziehen kann: „Ich kann deinen Engpass gut verstehen. Leider ist es mir momentan nicht möglich, dir zu helfen.“ Eine Begründung für Ihre Absage müssen Sie nicht geben.
Anektode: Lieber das Geld
Werner Krauß und Emil Jannings waren beide berühmte Schauspieler, hatten aber – zumindest zu Beginn ihrer Karriere – nie Geld. Einmal fragte Krauß den Kollegen: „Emil, kannst du mir 10 Euro leihen?“ – „Werner“, kam die Antwort, „borge sie woanders. Als ich von dir 20 Euro geliehen hatte und sie nicht zurückzahlen konnte, habe ich dich nicht mehr gegrüßt, und um ein Haar wäre unsere Freundschaft hin gewesen. Glaube mir, jetzt wird es wieder so sein. Sag, was du willst: die 10 Mark oder meine Freundschaft?“ Darauf Krauß trocken: „Bitte, die 10 Mark.“
Spielt Ihr Freund häufiger den Krauß und pumpt Sie um kleine Geldbeträge an, die er in der Folge gerne zurückzuzahlen vergisst – dürfen Sie bei der Frage ums Verleihen oder Nichtverleihen zu einer Notlüge greifen: „Tut mir leid, so viel Kleingeld habe ich nicht dabei.“ Das ist eine Antwort, die, selbst wenn sie als Ausrede erkannt wird, niemandem weh tut.
- Wenn der Headhunter klingelt, riecht es nach einer Win-win-Situation. Doch profitieren Sie in jedem Fall von einer Zusage? Machen Sie sich klar, was Sie in Ihrem Berufsleben erreichen wollen. Karriere machen? Mehr Geld verdienen? Oder lieber doch das Gute bewahren und auf der alten Arbeitsstelle weiterhin zufrieden sein? Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Entscheidung!
- Ihr Bekannter möchte bei Ihnen übernachten, Sie möchten das nicht. Sagen Sie Nein! Wählen Sie einen verbindlichen Tonfall: „Tut mir leid, aber heute geht es nicht.“ Er bleibt hartnäckig? Versuchen Sie es mit Humor: „Wir sollten uns nicht zu sehr von den Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel abhängig machen. Sonst bist du ja auch für Privatinitiative.“ Er will es partout nicht einsehen? Bleiben Sie freundlich, greifen Sie zum Telefon, und bestellen Sie ein Taxi. So stellen Sie Ihren Gast vor eine Tatsache, die er akzeptieren wird – oder muss.
Das Problem mit dem Führerschein
Was habe ich wohl der Freundin geraten, die ihren „fahrerlaubnisfreien“ Chef chauffieren sollte? Die Entscheidung konnte ich ihr schlecht abnehmen. Also habe ich mich auf die Fakten beschränkt. Schuld an der Situation war ausschließlich eine Person. Die ist auch fürs Ausbaden zuständig. Betriebsschädigend hat sich allenfalls der Chef verhalten. Stuft er den Führerscheinverlust als Privatsache ein, muss er die Angelegenheit privat regeln und privat für Ersatz sorgen. Möchte die Freundin diesen privaten Ersatz leisten?Wie ging die Sache aus? Für übernachtungswillige Gäste und führerscheinlose Chefs scheint es dieselbe Lösung zu geben: das Taxi. Dazu riet meine Freundin ihrem Vorgesetzten. Mit folgender Begründung: „Lieber Chef, mir ist das zu viel. Ich möchte abends unabhängig bleiben. Oft muss ich nach Feierabend noch Besorgungen machen. Ich fahre auch nicht jeden Tag sofort von der Arbeit nach Hause. Mit dem Taxi kommen Sie auf jeden Fall schneller ans Ziel. „Das reichte als Begründung völlig aus. Weitere Rechtfertigungen waren nicht nötig. Der Chef sah ein, dass für sein Verhalten nur er einzustehen hatte und anderen dadurch keine Unannehmlichkeiten bereitet werden sollten. Inzwischen hat er den Führerschein wieder, und für die Freundin hat sich auf der Arbeitsstelle gegenüber früher nichts verändert.
Übersicht: Das Wichtigste auf einen Blick
- Lernen Sie die Kunst des Nein-Sagens, falls Sie sie noch nicht beherrschen.
- Bedenken Sie dabei: Sie haben nicht nur das Recht, für sich selbst zu sorgen, sondern die Pflicht. Das bedeutet: Sie dürfen nicht nur Nein sagen, in bestimmten Situationen müssen Sie es.
- Erforschen Sie die Gründe, warum Sie häufig in die Ja-Fallen tappen.
- Werden Sie sich darüber bewusst, wovor Sie Angst haben, wenn Sie Nein sagen.
- Beachten Sie den Zusammenhang von Selbstbewusstsein und Nein-Sagen. Ewigen Ja-Sagern mangelt es an Selbstvertrauen.
- Wägen Sie im beruflichen Bereich die Konsequenzen ab, die Ihnen durch ein Nein entstehen können.
- Bringen Sie Ihre Ablehnung auf unverletzende, freundliche und höfliche Art zum Ausdruck.
- Lassen Sie sich nicht überrumpeln. Schaffen Sie sich Zeit-Freiräume, ehe Sie antworten, falls Sie nicht ganz sicher sind, was Sie wollen und was gut für Sie ist.
- Wichtig! Werden Sie nicht zum notorischen Nein-Sager. Sagen Sie Ja, wenn es von Herzen kommt und Sie spüren, dass Sie sich mit Ihrer Ja-Antwort gut fühlen.
- Vermeiden Sie außerdem, ein Nein als Machtdemonstration, Maßregelung, Rache zu missbrauchen.